Kann Kaufen und Halten in der Praxis funktionieren? Es klingt einleuchtend und wird an vielen Stellen propagiert. Auch von Prominenten wie Warren Buffett, der mit seiner Beteiligungsholding Berkshire Hathaway der reichste Mann der Welt war. Was sicher stimmt, ist dass bei Investments in den Aktienmarkt Geld eher mit dem Warten verdient wird, als mit dem Kaufen und Verkaufen. Dennoch lohnt es sich auch hier, genau nachzurechnen. In welchen Fällen lohnen welche Verhaltensweisen? Oder anders herum, welche finanziellen Konsequenzen sind mit dem Wechsel einer Investition verbunden?
Welche Rolle spielt die Rendite?
Jemandem, der noch nicht in Aktien investiert ist eine Strategie des Kaufens und Haltens zu empfehlen ist mindestens fragwürdig. Seine Situation oder die des Marktes könnte sich ändern und eine Reaktion notwendig machen. Außerdem sollte eine Position verkauft werden, wenn es keinen Sinn mehr macht, an ihr festzuhalten. Vielleicht bedeutet Kaufen und Halten nichts anderes, als die Transaktionskosten und Steuern zu minimieren? Dann muss dieses Ziel jedoch mit einer bestmöglichen Rendite in Einklang gebracht werden. Kannst Du allerdings eine bessere Rendite nach Steuern mit höheren Transaktionskosten erzielen, so würde ich diesen Weg dennoch bevorzugen.
Die Kernfrage ist daher, mit welcher Strategie die bestmögliche Rendite erzielt werden soll. Wer passiv in Indexfonds investiert, kann leicht Kaufen und Halten. Welchen Grund gibt es umzuschichten? Wer jedoch der Ansicht ist, durch eine überlegene Aktienauswahl den Markt zu schlagen, der wir ab und an umschichten müssen. Es gibt schlicht keine Aktien, die alle dauerhaft den Markt übertreffen, in der Vergangenheit und der Zukunft. Deshalb stellt sich überhaupt nur die Frage, ob eine Position beibehalten werden soll. Wann ist es vorteilhafter, eine Position ganz oder teilweise aufzulösen und die freiwerdenden Mittel neu zu investieren?
Vereinfacht kann der Sachverhalt folgendermaßen dargestellt werden. Die Transaktionskosten von je 0,3% bei einem Online-Broker für den Kauf und Verkauf von Aktien oder Indexfonds stellen keine große Hürde mehr dar. Aber welche zusätzlichen Effekte ergeben sich aus steuerlichen Betrachtung? Würden diese eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung beeinflussen? Die Antwort ist ziemlich einfach – wenn die Rendite die zusätzliche Kosten und Steuern kompensieren kann. Beträgt die Steuer also bspw. 10% des Wertes der Position, so muss die alternative Anlage besser sein. Also das verlorene Geld mehr als ausgleichen.
Die Steuer darf nicht entscheidend sein!
Damit ergibt sich jedoch, dass sich das Halten einer Position umso mehr lohnt, umso höher die Steuer wäre. Die aktuell fällige Kapitalertragssteuer in Höhe von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchensteuer ist nur auf den Ertrag zu entrichten, daher muss abgeschätzt werden, in welchem Verhältnis dieser zum Gesamtwert der Position steht. Bei einer durchschnittlichen Wertentwicklung von 6% wäre diese Steuer nach einem Jahr daher knapp 1,5%, welche zusätzlich zu den Transaktionskosten fällig wäre, nach 10 Jahren jedoch bereits über 11,5%, weil schon fast 80% Erträge erzielt worden wären.
Wer einfach mit Wertentwicklungen rechnen möchte kommt noch leichter zu einem Ergebnis. Bei 50% Wertsteigerung nach beliebig vielen Jahren beträgt die Steuer knapp 8,8%, bei 200% jedoch schon über 17,5%. Sind keine Erträge angefallen, weil die Position aktuell über Buchverluste verfügt, so beträgt die Steuer 0%. Oder die Situation kehrt sich sogar ins Gegenteil um, je nachdem, ob die Verluste mit anderen Gewinnen verrechnet werden können. Auf diese Renditeoptimierung durch Ausnutzung von Steuereffekten soll an dieser Stelle jedoch nicht eingegangen werden.
Tendenziell lässt sich jedoch feststellen, dass der Nachteil mit steigenden Buchgewinnen steigt und die Attraktivität eines Verkaufs sinkt. Je länger eine Position gehalten wurden umso höher sind die durchschnittlichen Buchgewinne, was zwar nicht zwangsläufig gegeben ist, jedoch naheliegt. Wenn jemand also davon spricht, dass er sich nicht von einer Position trennen möchte, die er zum 10-fachen seines Einstandswertes in den Büchern hat, so kann ich das absolut nachvollziehen, denn schließlich würden alleine die Steuern knapp 24% seiner Position auffressen. Zusammen mit den Transaktionskosten von 1% muss er also eine andere Aktie finden, deren Kauf er selbst dann bevorzugen würden, selbst wenn er seine aktuelle Aktie mit einem Abschlag von 25% kaufen könnte. Das ist schwer!
Dein Anlagehorizont ist endlich!
Kaufen und Halten ist aus diesen Gründen nichts anderes als eine Strategie zur Vermeidung von Steuern, welche die Rendite steigert. Sie wirkt jedoch umso stärker, je größer die Buchgewinne sind. Also tendenziell bei erfahrenen Investoren, die eben schon lange im Markt sind und ihre Positionen auch in dieser Zeit nicht verändert haben. Wer ständig handelt wird dieses Problem nicht in dieser Form haben. Wer rein passiv in Indexfonds investiert hat prinzipiell weniger Anreiz umzuschichten.
Aber wenn Du irgendwann von den Gewinnen profitieren möchtest, musst Du verkaufen. Die Alternative ist, alle Aktien zu vererben. Aber dann kann es Dir auch egal sein, welche Rendite Du erzielt hast. Spätestens beim Verkauf wird allerdings die Steuer fällig. Damit spielt es auch keine Rolle, ob Du vorher verkaufst. Du musst nur die Transaktionskosten des Verkaufs und Kaufs zusätzlich verdienen, was deutlich leichter möglich ist. Deshalb sollte Kaufen und Halten in der Praxis für Dich auch keine Rolle spielen. Der Vermögensheld empfiehlt Dir, Dich mehr mit Timing zu beschäftigen, weil das größere Vorteile verspricht.
Zuletzt noch ein Hinweis auf Berkshire Hathaway und deren große Positionen, die teilweise schon Jahrzehnte im Portfolio sind. Hier macht ein Verkauf weniger Sinn, weil nach dem Verkauf und der zu zahlenden Steuer effektiv Vermögen vernichtet wurde. Liquidität ist aber aus Sicht der Gesellschaft kaum ein Problem, weil sie mehr zukauft als verkauft. Auch nicht für die Anteilseigner, die für Liquidität einfach Anteile der Gesellschaft verkaufen können.