Zu viel Geld der Deutschen liegt unproduktiv auf Giro- und Tagesgeld-Konten. Eine durchdachte Verteilung auf verschiedene Anlageklassen bringt mehr. Was Anleger selbst tun können und wo Beratung hilft
Die Höhe des finanziellen Vermögens der Bundesbürger lässt zu wünschen übrig, weil zu viel Geld unproduktiv auf Giro- oder Tagesgeldkonten liegt und damit zu niedrigen Zinsen an die Banken verliehen wird. Die Gründe dafür sind individuell verschieden, und in Einzelfällen kann das für gewisse Personen auch sinnvoll sein. Insgesamt aber lässt sich feststellen, dass eine durchdachte Verteilung des Vermögens auf verschiedene Anlageklassen mit wesentlich höheren Erträgen verbunden wäre.
Jeder sollte sich deshalb die Frage stellen, wie viel höher die eigenen Erträge sein könnten, wenn das eigene Vermögen anders angelegt wäre. Wer diese Frage nicht selbst beantworten kann, sollte einen Berater in Anspruch nehmen. Andernfalls verschenkt er Geld. Das erforderliche Geld für die Beratung ist aus zwei Gründen gut investiert: Zum einen steigen die Erträge auf das Vermögen, so dass die Beratung günstiger wird oder komplett aus den zusätzlichen Erträgen bezahlt werden kann. Zum anderen lernt der Anleger etwas dazu und kann in Zukunft selbstständig bessere Entscheidungen treffen.
Das Ergebnis selbst wird von der Anlageentscheidung und vom Zufall beeinflusst. Wobei die Entscheidung über die Art der Anlage wiederum das Ausmaß beeinflusst, den der Zufall haben kann. Um die Auswirkung des Zufalls einschätzen zu können ist es wichtig, Kenntnisse über die Vermögensanlage aufzubauen und sich selbstständig damit auseinanderzusetzen.
Eigenständig Kompetenz aufbauen
Wer sein eigenes Ergebnis nicht einschätzen kann, hat ein Problem, das sich nicht nur durch Beratung lösen lässt, weil auch das Ergebnis der Beratung nicht einzuschätzen ist. Die einzige Lösung besteht darin, eigenständig Wissen und Kompetenz aufzubauen. Auch dafür kann Beratung genutzt werden, wenn der Berater seine Überlegungen offenlegt und ausreichend begründet. Das bietet Ansatzpunkte, um die Ursache des Problems zu verstehen und die Hindernisse für eine erfolgreiche Geldanlage aus dem Weg räumen zu können. Leider ist das ein langer und mühsamer Weg, den jeder für sich gehen muss.
Diese persönliche Verantwortung für das Anlageergebnis ist nicht delegierbar. Deshalb bleibt es am Ende dem Anleger überlassen, wie er die Qualität der Beratung oder seines Anlageergebnisses beurteilt. Während sich die Qualität der Beratung noch einigermaßen beurteilen lässt, ist das beim Ergebnis ungleich schwieriger, weil dafür die Unsicherheit der Zukunft einfach zu groß ist.
Viele Annahmen aus der Vergangenheit haben sich verändert oder sind schlicht nicht mehr gültig. Manches lief wie erwartet, anderes wiederum nicht. Die Konfrontation der für die Zukunft getroffenen Annahmen mit der Realität kann signifikanten Einfluss auf das Ergebnis gehabt haben.
Viele Szenarien berücksichtigen
Denn niemand kann im Voraus wissen, was in 20 Jahren das Beste gewesen sein wird. Im Nachhinein allerdings schon, und genau das ist ein Teil des Problems: Eine Entscheidung oder Beratung, die heute darauf basiert, was in den letzten 20 Jahren optimal gewesen wäre, ist vermutlich genau aufgrund dieser Begründung unpassend. Denn sie setzt voraus, dass sich Geschichte exakt wiederholt, geht nicht auf die Wahrscheinlichkeit ein, mit der das überhaupt der Fall sein könnte und berücksichtigt auch keine anderen Szenarien, die ebenfalls möglich wären.
Eine gute Entscheidung oder Beratung muss deshalb so viele Szenarien wie möglich berücksichtigen, damit der Anleger innerhalb dieses Entscheidungsraums möglicher Entwicklungen die beste Wahl treffen kann. Das heißt nicht, dass der Anleger oder Berater die beste Wahl treffen kann oder überhaupt weiß, welche das ist oder – genauer ausgedrückt – im Nachhinein gewesen sein wird. Aber die Vermögensaufteilung muss in jedem betrachteten Szenario zu einem akzeptablen Ergebnis im Rahmen der getroffenen Annahmen führen.
Eine solchermaßen fundierte Entscheidung oder Beratung wird im Mittel einer schlechten überlegen sein. Allerdings ist auch der Durchschnitt nachträglich ohne Bedeutung, denn dann zählt nur das konkrete Ergebnis. Eine Investition von 100% des Vermögens in Tech-Aktien im letzten Jahr war mutig, aber im Nachhinein hervorragend. Eine Aktienquote von nur 20% für einen 25-Jährigen nach der Finanzkrise war auf jeden Fall zu vorsichtig und hat viel Ertrag liegen gelassen. Deshalb ist es so wichtig, sich ein Grundverständnis der Geldanlage zu erarbeiten, um eine Beratung und vor allem ein Ergebnis besser beurteilen zu können.
Glück und Können müssen unterschieden werden
In vielen Berufen ist es leicht, zwischen Glück und Können zu unterscheiden. Wenn ein Koch hunderte von Essen perfekt auf den Tisch bringt oder ein Sportler regelmäßig hervorragende Leistungen abliefert, demonstriert er sein Können. Wie sieht es bei einem Berater aus, der in einer bestimmten Situation bei einer unsicheren Zukunft über einen Zeitraum von Jahren oder Jahrzehnten eine Empfehlung geben soll? Auf Basis der Ergebnisse die Beratungsqualität zu beurteilen und zwischen Glück und Können zu unterscheiden ist schwer!
Ein Berater kann eine hervorragende Beratung durchführen und nach bestem Wissen alles Denkbare berücksichtigen, dennoch kann es am Ende komplett anders kommen als gedacht. Die Erde bebt, ein Tsunami richtet Schaden an oder ein Krieg bricht aus – alles kann passieren. Am Ende spielt die Ursache aber keine Rolle. Pech ist es eben nur für den, der sich nicht vorbereitet hat. Es gibt aber auch den gegenteiligen Fall, in dem eine Beratung oberflächlich ist und völlig ohne Szenarien einfach eine Empfehlung ausspricht. Das schließt ein hervorragendes Ergebnis nicht aus, macht aber die eigentliche Beratung nicht besser. Das Ergebnis ist dann allerdings eher dem Glück als einer guten Beratung zuzuschreiben.
Deshalb muss eine Beratung möglichst umfänglich sein, um Zufälle und Risiken bestmöglich beherrschen zu können. Das schließt neben der Betrachtung der wahrscheinlichen Fälle also auch die Berücksichtigung der extrem guten und, ganz besonders, der ungünstigen Fälle mit ein. Vor allem ist es wichtig abzuschätzen, welcher Vermögensverlust denkbar ist, um einen Bankrott auszuschließen. Extrem gut wird als Ergebnis gerne genommen, aber das Risiko darf niemals so hoch sein, dabei alles verlieren zu können. Letztlich muss aber jeder Anleger selbst beurteilen, welche Chancen und Risiken für ihn und seine Situation akzeptabel sind. Eine Beratung muss aber für Risiken sensibilisieren, selbst wenn die Entscheidung und Verantwortung immer beim Anleger liegt.
Erschreckend ist auch, wie sehr die Unterschiede verschiedener Lebenssituationen verkannt werden. Vermögenshöhen von 100.000 Euro, 500.000 Euro oder 3 Million verlangen jeweils eine völlig andere Herangehensweise, die außerdem auf das Alter des Anlegers zugeschnitten sein muss. Außerdem müssen alle Anlageklassen mit einbezogen werden, um wirklich das beste Ergebnis für den Anleger erzielen zu können. Eine Möglichkeit ist es, sich nicht auf einen Berater zu verlassen, sondern mit verschiedenen Beratern zu sprechen. Diese Vorgehensweise führt das Problem der Zusammenführung der Vorschläge und des Verständnisses jedoch zurück in die Hände des Anlegers.
Eigenes Wissen aufbauen
Als Fazit bleibt daher nur, den Aufbau eigenen Wissens und Verständnisses voranzutreiben. Wer, aus welchen Gründen auch immer, keinen Berater hinzuziehen möchte, muss selbst gründlich nachdenken, welche Szenarien in Zukunft möglich sind. Dabei gilt es, die grundlegenden Parameter von Wirtschaftswachstum und Inflation zu berücksichtigen. Beim Wirtschaftswachstum sind mindestens die Varianten hoch, niedrig und negativ (Rezession) zu unterscheiden. Die Inflation kann ebenfalls hoch, niedrig oder negativ (Deflation) sein. Das führt bereits zu neun Szenarien mit jeweils unterschiedlichen Auswirkungen auf die verschiedenen Anlageklassen. Weitere Szenarien könnten ein Krieg oder Naturkatastrophen sein, ebenso wie persönliche Ereignisse, die bedeutende finanzielle Auswirkungen haben.
Für jede mögliche Kombination der Parameter muss die eigene Vermögensaufteilung zu einem akzeptablen Ergebnis kommen. Daher ist im Anschluss für jedes Szenario zu prüfen, wie es sich auf das Vermögen auswirkt. Sind die Verluste zu groß, muss das Risiko reduziert werden. Ist die reale Entwicklung des Vermögens zu gering, ist die Vermögensaufteilung zu prüfen. Möglicherweise lohnt sich auch die Berücksichtigung anderer Anlageklassen, die höhere Rendite oder besseren Schutz in Extremsituationen bieten können.
Eine solche Analyse ist aufwändig, aber durchaus machbar. Glücklicherweise gibt es keine fixen Termine, zu denen die zukünftige Aufteilung des Vermögens festgelegt sein muss. Immerhin liegt zu jedem Zeitpunkt eine Vermögensaufteilung vor, auch wenn diese oftmals unbekannt ist. Anpassungen daran vorzunehmen ist leichter, als eine komplett neu zu entwerfen. Es muss allerdings regelmäßig überprüft werden, ob ein Ausgleich aufgrund der Wertveränderungen der Vermögenspositionen notwendig ist. Bei Änderungen des wirtschaftlichen Umfelds oder der persönlichen Situation muss der Anleger selbst an eine Überprüfung denken.
Wem das zu viel Arbeit ist oder wer sich (noch) nicht sicher genug fühlt, der sollte einen Berater hinzuziehen. Mit dem Wissen, welche Szenarien für den Anleger relevant sind und berücksichtigt werden sollen, lässt sich schon viel aus einer Beratung mitnehmen. In wie fern der Anleger anschließend dem Berater folgt, eine zweite Meinung einholt oder auf Basis der neuen Informationen selbst eine Einschätzung vornimmt, bleibt ihm überlassen. Dennoch ist der erste Schritt weg von zufälligen Ergebnissen und hin zu einer fundierten Vermögensaufteilung getan. Damit lässt sich beruhigt in die Zukunft blicken.