Die Inflation ist ein harter Gegner!

Inflation beeinträchtigt die eigenen Möglichkeiten mehr, als vielen Menschen bewusst ist. Geschickte Geldanlage hilft.

Inflation wird häufig unterschätzt, besonders wenn sie längere Zeit sehr niedrig war. Das kann allerdings ein großer Fehler sein, wie sich durch den kurzen Anstieg der Inflation auf rund 10% im Jahr 2023 gezeigt hat. Es wäre aber deutlich zu kurz gesprungen, reduzierte man den Blickwinkel nur auf die allgemeinen Preissteigerungen: Die „persönliche Inflation“ kann sehr stark von der durchschnittlichen Inflation abweichen, über die regelmäßig in den Medien gesprochen und geschrieben wird. Hinzu kommt eine zeitliche Komponente, die oft vernachlässigt wird, der jedoch eine große Bedeutung zukommt. Um das zu verstehen ist es notwendig, sich intensiv mit der eigenen Vermögensbilanz zu beschäftigen.

Die Vermögensbilanz besteht aus vielen Positionen, deren Einfluss nicht nur von der absoluten Höhe des jeweiligen Werts abhängt, sondern auch vom Einfluss, den die Inflation darauf hat. Eine wichtige Position ist erwartungsgemäß der Konsum, der alle Ausgaben bis zum Lebensende umfasst. Im Alter von 40 Jahren ergeben sich bei einer Lebenserwartung von 90 Jahren immerhin noch 50 Jahre Ausgaben, die notwendig sind. Betragen die Ausgaben aktuell 5.000 Euro im Monat, 60.000 Euro pro Jahr, ergibt das den stolzen Betrag von 3.000.000 Euro. Eine Inflation von 10% führt damit zu Mehrausgaben in Höhe von 300.000 Euro.

Die Inflation ist gefährlich

Das gilt jedoch nur für jeweils ein Jahr: Beträgt die Inflation im Jahr darauf erneut 10%, steigen die Ausgaben erneut und sogar um mehr als 300.000 Euro an. Eine einmalige Inflation in Höhe von 2% führt zwar nur zu einer Steigerung um 60.000 Euro, aber jährlich über 50 Jahre betrachtet erhöht sich auch hier die Konsum-Bilanzposition auf über 5.000.000 Euro. Das macht deutlich, wie gefährlich die Inflation ist und weshalb es so wichtig ist, die individuelle, persönliche Inflation zu kennen, zumal sie höher oder niedriger als die „offizielle“ sein kann.

Zunächst gilt es daher, die eigenen Ausgaben in Kategorien aufzuteilen und für jede einzelne die Inflationserwartung zu bestimmen. Am besten wäre es, eine fertige Liste aller Kategorien läge bereits vor, nach Größe absteigend sortiert. Glücklicherweise gibt es eine Reihe von Apps, die das bereits automatisch für den Anleger übernehmen. Diese Liste kann dann einfach der Reihe nach abgearbeitet werden, von den Kategorien mit den höchsten Ausgaben, bei denen die Auswirkung der Inflation auch am größten sein kann, bis zu denen mit den niedrigsten Ausgaben. Am Ende sind die Inflationserwartungen für alle Kategorien aufzusummieren und durch die Ausgaben zu teilen, um die persönliche Inflation zu bestimmen.

Das klingt nach einer Routine-Aufgabe, bei der es keine Überraschungen geben kann. Aber dem ist nicht so, weil selbst kleinere Ausgaben enorme Preissteigerungen erfahren können. Mancher hat ein Software-Abonnement, das plötzlich 70% mehr kostet, ein anderer hat beim Versorger Pech, und die Gas-Rechnung hat sich verdoppelt. Selbst unregelmäßige Ausgaben können sich summieren und von der Inflation deutlich getroffen sein.

Inflation bei Immobilien ist individuell

Die Wohnkosten sind häufig ein großer Posten, bei Eigentümern selbstgenutzter Immobilien entsprechend die Kreditraten des Immobiliendarlehens. Letztere haben keinerlei Inflation zu befürchten, was ein großer Vorteil ist und ein Grund, warum in Ländern mit höherer Inflation die Eigentumsquoten ebenfalls höher sind. Mieter mit Indexmietvertrag müssen dagegen die volle Inflation tragen, weil die Miete mit der Inflation angepasst wird. Bei den restlichen Mietern liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, je nachdem, wie sehr der Vermieter die Miete anpasst. Zum Glück für Mieter sind Mieterhöhungen in Deutschland enge Grenzen gesetzt, weshalb vermutlich nur ein Teil der Inflation als Erhöhung ankommt.

Im Gegensatz zu den Ausgaben kann bei den Vermögenswerten die Inflation bei den Preisen oder Erträgen positiv sein. Vermieter können die Inflation für Mieterhöhungen nutzen und haben darüber hinaus bei Mieterwechseln die Gelegenheit zur Anpassung der Miete. Aus diesem Grund ist die langfristige Rendite von Immobilien höher anzusetzen als die reine Mietrendite. Als Orientierungshilfe, aber wie immer in Abhängigkeit vom Objekt, kann die halbe Inflation genutzt werden, also die Hälfte der Höhe der erwarteten jährlichen Inflation der nächsten 10 Jahre. Für ein Objekt mit einer Mietrendite in Höhe von 5% ergibt das bei einer erwarteten Inflation von 4% pro Jahr immerhin einen Aufschlag von 2% oder eine um 40% höhere Rendite.

Die Anlageklasse der Anleihen dagegen leidet unter Inflation, weil die Rückzahlung der Gelder zum entwerteten Nennwert erfolgt und auch Zinszahlungen abgewertet werden. Je nach Entwicklung der Inflation kann die erzielte reale Rendite noch positiv oder sogar negativ sein. Aus diesem Grund gibt es die Anlageklasse „Inflationsgeschützte Anleihen“, bei denen sowohl der Nennwert als auch die Zinszahlungen an die Inflation angepasst werden. Bei Letzteren ist Inflation somit nicht relevant, sondern nur die erzielte reale Rendite aus dem Kupon, die jedoch geringer ist als bei regulären Anleihen.

Wie gut helfen Edelmetalle?

Edelmetalle sind hinsichtlich der Inflation eine Mischung aus beiden Anleihearten. Sie bieten einen Schutz gegen die Inflation, aber nicht kurzfristig, sondern nur langfristig. Gleichzeitig haben Sie einen Nachteil gegenüber Anleihen, weil sie keinen Ertrag abwerfen. Edelmetalle schützen daher besonders gegen eine negative reale Rendite, also niedrige Zinsen bei gleichzeitig hoher Inflation. Umgekehrt leiden sie unter positiver realer Rendite, also niedriger Inflation bei gleichzeitig hohen Zinsen. Zu beachten ist allerdings, dass die Wirkung der Inflation bei Edelmetallen nicht unmittelbar ist. So können zwischen Ursache und Wirkung mehrere Jahre liegen.

Die Anlageklasse Aktien bietet einen gewissen Schutz vor der Inflation. In Amerika war das über den Zeitraum von 1950 bis 2022 der Fall, in denen die durchschnittliche Rendite des S&P 500 7,74% betrug, während die Inflation bei 3,49% lag. Damit könnte der Fall eindeutig entschieden sein, wären die Werte nicht so volatil.

Denn von Anfang 1959 bis Ende 1985 war die reale Rendite insgesamt negativ: Die Inflation betrug 5,15% und die Rendite des S&P 500 lediglich 4,97%. Wer gar 1973 erst eingestiegen ist, hat bis 1985 jedes Jahr eine negative reale Rendite erzielt. Ein US-Dollar hatte Ende 1985 über 70% des Wertes von Anfang 1959 verloren. Aktien schützen also vor Inflation, es kann aber längere Zeiträume geben, in denen eine reale Rendite ausfällt. In diesen Phasen ist es damit nahezu unmöglich für Anleger, mit Aktien Vermögen aufzubauen. Das macht die Geldanlage ein wenig zum Glücksspiel, wann sich ein Anleger in welcher Lebensphase befindet.

Wert der Arbeitskraft und Renten nicht vergessen

Nach den Vermögenswerten gibt es noch weitere Positionen der Vermögensbilanz, die von der Inflation betroffen sein können, zu nennen sind hier die Werte der Arbeitskraft und der Renten. Beide werden zwar nicht direkt durch die Inflation beeinflusst, häufig gibt es aber beim Arbeitseinkommen im Nachhinein eine Erhöhung als Ausgleich. Die Höhe der Renten wiederum hängt an der Lohnentwicklung, so dass mit einer weiteren Verzögerung auch die Renten steigen. Beträgt das Nettoeinkommen für den 40-jährigen Arbeitnehmer 5.600 Euro im Monat und er plant bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten, beträgt der Wert der Arbeitskraft knapp 1.815.000 Euro.

Damit ergibt sich ein Problem: Während eine Inflation in Höhe von 10% die Kosten des Konsums um 300.000 Euro steigen lässt, steigert eine Einkommenserhöhung um 10% mit einem Jahr Verzögerung den Wert der Arbeitskraft nur noch um knapp 175.000 Euro. Das ist ein 125.000-Euro-großes Problem für die Altersvorsorge. Selbst wenn der Wert der Renten in Höhe von 250.000 Euro um 10% steigen würde, so reduziert sich die Lücke nur um 25.000 Euro auf immer noch 100.000 Euro. Inflation ist deshalb für alle Arbeitnehmer ein Problem, selbst wenn die Ausgaben gut 10% unter den Einnahmen liegen.

Dieser Effekt wird umso größer, je näher der Ruhestand rückt. Der Wert der Arbeitskraft nimmt bis dahin mit jedem Jahr ab, während das beim Konsum deutlich weniger der Fall ist. Der Wert der Renten deckt in der Regel nur einen Teil des Bedarfs im Alter, daher ist die Entwicklung des eigenen Vermögens der einzige Schutz für den Anleger, um die zusätzliche Lücke zu schließen. Das eigene Vermögen, eine eventuell vorhandene betriebliche Altersvorsorge eingeschlossen, ist die beste Altersvorsorge. Deshalb ist es wichtig, die Inflation bei allen Planungen zu berücksichtigen.