Viele mögliche Fehlentscheidungen lassen sich von vorneherein ausschließen. Wenn Anleger ihre Alternativen richtig einbeziehen.
Eine finanzielle Entscheidung ist isoliert schwer zu beurteilen. Interessant ist vielmehr der entgangene Nutzen oder Gewinn einer getroffenen Entscheidung im Vergleich mit einer möglicherweise besseren Option: die Opportunitätskosten. Um eine gute Entscheidung zu treffen, sollte daher mindestens eine Alternative betrachtet werden, für die die entsprechenden Opportunitätskosten berechnet werden. Dafür muss jedoch die Rendite bekannt sein, die mit der dauerhaften Anlage des gesamten Vermögens erzielt wird.
Die Rendite und die damit verbundenen Opportunitätskosten sind für jeden Anleger verschieden. Selbst in der genau gleichen, externen Situation kann es deshalb für zwei Anleger sinnvoll sein, unterschiedliche Entscheidungen zu treffen. Deutlich wird das am Beispiel des Kaufs einer Immobilie für 500.000 Euro, bei dem Nebenkosten in Höhe von 37.500 Euro anfallen. Der Mietertrag beläuft sich auf 20.000 Euro jährlich, und für den Kauf soll kein Kredit aufgenommen werden.
Die einfachste Option ist immer, nicht zu handeln, dann könnte jederzeit frei über das Vermögen in Höhe von 537.500 Euro verfügt werden. Ein Anleger, der sich nicht um die Anlage seines Vermögens kümmert und es einfach auf dem Girokonto liegen lässt, erzielt keine Erträge. Der Mietertrag ist dadurch auf jeden Fall finanziell vorteilhafter. Auf Grundlage der Opportunitätskosten, die aus den entgangenen Mieterträgen entstehen, entscheidet er sich für den Kauf der Immobilie.
Umgekehrt ist es bei Krediten
Für einen aktiven Anleger, dem es kontinuierlich gelingt, eine Rendite von 8% zu erzielen, stellt sich der Fall anders dar. Er hat die Wahl zwischen Mieterträgen auf der einen und Kapitalerträgen in Höhe von 43.000 Euro auf der anderen Seite, die wesentlich höher sind. Zudem ist die Verfügbarkeit des Geldes wesentlich besser, weshalb er sich gegen den Kauf der Immobilie entscheidet. Das grundsätzliche Verhalten der Anleger bei ihrer persönlichen Geldanlage macht hier den Unterschied.
Ähnlich ist die Rechnung bei einem Autokauf. Wer ein Auto für 50.000 Euro kauft und plant, es nach acht Jahren für 15.000 Euro wieder zu verkaufen, zahlt nominal 35.000 Euro. Die Alternative ist es, das Auto nicht zu kaufen und das Geld stattdessen anzulegen und damit Erträge zu erzielen. Wer das Geld stattdessen für 8% anlegt, zahlt für das Auto bereits 77.500 Euro und selbst bei 4% wären es 53.500 Euro. Leasing verheißt bei einigen Nachteilen, das Eigenkapital nicht aufbringen zu müssen, aber dafür ist es insgesamt teurer. Für gute Anleger kann das dennoch vorteilhaft sein.
Das Ergebnis ist immer das Gleiche: Die Opportunitätskosten jeglicher Güter steigen für Anleger mit der eigenen Rendite. Deswegen ist es für gute Anleger sinnvoller, Erspartes anzulegen und nicht auszugeben. Wenn die eigene Rendite dagegen niedrig ist, sind die Opportunitätskosten geringer und Güter erscheinen dadurch günstiger. Liegt die Rendite unterhalb der Inflation, kann es sogar wirtschaftlich vorteilhafter sein, das Geld schnell auszugeben. Ansonsten verliert es an Wert und der geringere Nutzen kommt auch noch später.
Zwei verschiedene Gruppen von Anlegern
Umgekehrt ist es bei Krediten: Für Anleger mit hoher Rendite ist Eigenkapital teurer, deshalb profitieren sie von Fremdkapital. Sie verdienen mit den Krediten Geld, obwohl sie dafür Zinsen bezahlen müssen. Ist die Rendite eines Anlegers dagegen niedriger als die Zinsen des Kredites, ist das Fremdkapital teurer als das Eigenkapital. Deswegen profitieren sie nicht von Krediten. Damit werden die Anleger anhand ihrer unterschiedlichen Vermögensrenditen in zwei Gruppen geteilt: Die einen können Kredite nutzen und verdienen damit Geld, die anderen zahlen viel und verlieren Geld.
Bei Konsumgegenständen ist der Nutzen nicht immer klar zu quantifizieren, bei Sondertilgungen von Krediten hingegen schon: Der gesparte Zins in Prozent kann mit der möglichen Rendite einer potenziellen Investition verglichen werden. Bei einem Zins von 10% wird es schwer, sicher eine höhere Rendite nach Steuern zu erzielen. Andererseits sollte es bei einem Kreditzins unter 2% kein Problem sein, das Geld besser anzulegen, zumal selbst Geldmarktfonds aktuell mit rund 3% nach Kosten und immer noch mit knapp über 2% nach Steuern rentieren.
Der Einwand beim Auto könnte sein, dass es nur drei bis fünf Jahre gefahren werden soll und es mit dieser Anlagedauer schwierig wird, eine gute Rendite zu erzielen. Das stimmt zwar, allerdings ist die Betrachtungsweise nicht zielführend. Denn es geht nicht um die Rendite einer direkt vergleichbaren Anlage, sondern um die regelmäßig mit dem Vermögen erzielte. Deshalb ist es so wichtig, dass sich Anleger mit der Geldanlage auseinandersetzen und auf Basis einer geeigneten Vermögensaufteilung Erfahrungen sammeln und besser werden.
Die Rendite ist unabhängig von der Anlagedauer
Die Betrachtung der Anlagedauer mit der Zinsbindung führt in die Irre, weil das Geld durchaus länger angelegt werden kann. Je höher der Zins zu diesem Zeitpunkt ist, desto mehr lohnt es sich, den Anteil des Eigenkapitals zu erhöhen. Dafür darf dann eben ein Teil der freien Liquidität eingesetzt werden. Wenn der Zins dagegen niedrig ist, zumindest unter der erzielten Rendite nach Steuern, sollte der Kredit möglichst langfristig mit geringstmöglicher Tilgung gewählt oder verlängert werden. Dann kann der Anleger mit einer höheren Rendite Erträge mit dem geliehenen Geld erzielen und damit die Rendite auf sein eigenes Kapital steigern.
Es gibt unterschätzte Gefahren bei Krediten, insbesondere Ratenkrediten, selbst wenn nicht explizit ein Kredit aufgenommen wird, sondern nur eine Zahlung auf mehrere Raten verteilt wird. Denn je mehr solche Dienste genutzt werden, selbst bei einem Zins von 0%, umso weniger wird gespart. Desto mehr wird der Konsum vorgezogen und der Sparvorgang weiter in die Zukunft verschoben. Der spätere Anfang hat damit den offensichtlichen Nachteil, dass weniger Zeit zur Verfügung steht und dadurch weniger Erträge erzielt werden, auch der Zinseszins fällt geringer aus. Dazu kommt der Nachteil, dass kein oder weniger Geld angelegt wird. Wer allerdings nicht systematisch Geld anlegt, kennt weder die eigene Rendite, noch hat er ein Gefühl dafür, welche Renditen realistisch sind.
Das wiederum hält die Opportunitätskosten gering und lässt den Kauf einer Immobilie oder anderer Güter vorteilhafter erscheinen. Wird nun eine Immobilie gekauft, sorgen Zahlungen für Zins- und Tilgung dafür, dass Sparvorgänge mit dem Ziel der Geldanlage weitere Jahre in die Zukunft verschoben werden. Es kann dann sein, dass der Anleger lange Zeit überhaupt keinen Bedarf hat, Geld anzulegen und sich Gedanken über seine Rendite zu machen. Damit schlägt das Pendel in den vorher geschilderten Situationen deutlich zugunsten der Ausgaben aus.
Berücksichtigung der Opportunitätskosten ist hilfreich
Anders stellt sich die Situation für einen Sparer dar: Wenn er sein Erspartes nicht anlegt, erzielt er keine Rendite und im Zweifel sogar eine real negative, wenn die Inflation berücksichtigt wird. Dementsprechend hat er nur negative oder geringe Opportunitätskosten, die Alternativen nicht zu handeln sind für ihn selten vorteilhaft. Legt er das Geld jedoch an und erzielt Erträge, kann er seine Rendite bestimmen. Ab diesem Zeitpunkt bestimmt er die Opportunitätskosten mit dieser Rendite. Der finanzielle Nutzen jeder weiteren Entscheidung ändert sich damit.
Das Problem ist, dass nur die Menschen Wohlstand aufbauen, deren Rendite hoch ist. Sofern sie nicht so viel verdienen, dass Erträge keine Rolle spielen. Wer also immer Entscheidungen trifft, deren finanzieller Sinn nur bei einer geringen Rendite der Alternative gegeben ist, macht einen Fehler. Denn er akzeptiert diese niedrige Rendite als Vergleichsmaßstab, mit der sich jedoch kein Wohlstand aufbauen lässt. Einfach eine höhere Rendite als Vergleichsmaßstab zu nutzen ist allerdings auch keine Lösung. Denn die Entscheidung ist dann nur mit dieser Rendite vorteilhaft, aber eben nicht für einen Anleger, der diese nicht erzielen kann.
Deshalb ist es wichtig, dass jeder Anleger seine Opportunitätskosten bei einer finanziellen Entscheidung berücksichtigt. Ansonsten besteht immer die Gefahr, dass die Entscheidung in finanzieller Hinsicht nachteilig ist und seinen Vermögensaufbau bremst. Außerdem muss er mit dem Investieren beginnen, um Erfahrungen zu sammeln und seine Rendite zu steigern. Gerade wenn die Rendite noch niedrig ist, ist es leicht, diese zu steigern. Anschließend ist es ein lebenslanger Lernprozess. Unter Berücksichtigung der Opportunitätskosten können jedoch viele mögliche Fehlentscheidungen von vorneherein ausgeschlossen werden.